Informationen zu FGM/C

Weibliche Genitalbeschneidung ist ein Thema, um das sich einerseits viele Mythen ranken, über das andererseits aber kaum geredet wird, zu gross sind Scham, Angst oder Stigmatisierung. Als sachkundige Fachperson können Sie zur transparenten und umfassenden Information über FGM/C beitragen.

Was können Sie tun?

Weil Betroffene selten von sich aus über die weibliche Genitalbeschneidung reden und derartige Gespräche nicht gewohnt sind, ist es häufig notwendig, entsprechende Anzeichen und Zusammenhänge zu erkennen. Als Ärztin, Schulsozialarbeiter, Kindergärtnerin, Lehrer, Hebamme, Pfarrer oder in einer anderen Funktion können Sie in solchen Situationen mit Fragen konfrontiert sein. Wie kann ich betroffene Mädchen oder Frauen bestmöglich unterstützen? Wie erkenne ich, ob jemand betroffen ist? Worauf muss ich im Gespräch besonders achten? Einige Anhaltspunkte haben wir an dieser Stelle für Sie zusammengestellt.

FGM/C erkennen

Gefährdete Mädchen erkennen

Indikatoren, die darauf hinweisen, dass ein Mädchen möglicherweise gefährdet ist, beschnitten zu werden:

  • Das Mädchen stammt aus einem Land oder einer Gemeinschaft, in welcher FGM/C praktiziert wird. (Verbreitung)
  • In der Familie gibt es andere Mädchen oder Frauen, die beschnitten sind.
  • Die Familie äussert sich positiv über FGM/C.
  • Die Familie erklärt explizit, dass sie beabsichtigt, die Tochter beschneiden zu lassen.
  • Die Familie plant eine Reise ins Herkunftsland oder ein anderes Land, in dem FGM/C praktiziert wird.
  • Das Mädchen erwähnt eine spezielle Behandlung oder eine Feierlichkeit, über die sie nicht sprechen darf.

Beschnittene Mädchen erkennen

Indikatoren, die darauf hinweisen, dass ein Mädchen möglicherweise beschnitten ist:

  • Das Mädchen stammt aus einem Land oder einer Gemeinschaft, in welcher FGM/C praktiziert wird. (Verbreitung)
  • In der Familie gibt es andere Mädchen oder Frauen, die beschnitten sind.
  • Das Mädchen ist längere Zeit krank oder aus unbekannten Gründen abwesend.
  • Das Mädchen klagt über Schmerzen beim Wasserlassen oder (bei älteren Mädchen) während der Menstruation
  • Das Mädchen hat andere gesundheitliche Probleme oder körperliche Beschwerden, die mit einer Genitalbeschneidung zusammenhängen könnten. (Gesundheitliche Folgen)
  • Das Verhalten des Mädchens verändert sich.
  • Das Mädchen wird von den Eltern oder der Familie vermehrt abgeschirmt.

Das Mädchen erwähnt eine spezielle Behandlung, über die sie nicht sprechen darf.

Beschnittene Frauen erkennen

Indikatoren, die darauf hinweisen, dass eine Frau möglicherweise beschnitten ist:

  • Die Frau stammt aus einem Land oder einer Gemeinschaft, in welcher FGM/C praktiziert wird. (Verbreitung)
  • Die Frau berichtet von Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Wasserlassen oder während der Menstruation.

Die Frau hat andere gesundheitliche Probleme oder körperliche Beschwerden, die mit einer Genitalbeschneidung zusammenhängen könnten. (Gesundheitliche Folgen)

Die Liste ist nicht abschliessend. Keiner dieser Indikatoren kann eindeutig belegen, dass eine Beschneidung stattgefunden hat oder geplant ist. Umso wichtiger ist es, aufmerksam zu bleiben und bei Verdachtsfällen das Gespräch zu suchen.

Über FGM/C reden

Keinen Druck ausüben

Vermeiden Sie unbedingt, Betroffene oder Gefährdete unter Druck zu setzen, ihnen Angst zu machen oder unnötige Sorgen hervorzurufen. Für betroffene Frauen kann es sehr schwierig sein, über FGM/C zu reden. Lassen Sie ihnen Zeit, respektieren Sie ihre Grenzen und ihr Recht auf Selbstbestimmung. Die Bedürfnisse der Frauen und Mädchen stehen in der Beratung und Begleitung von Betroffenen stets im Mittelpunkt.

Die richtigen Worte wählen

Gerade in der Politik kommt oft der Begriff «Weibliche Genitalverstümmelung» zur Anwendung, um den gewaltvollen Charakter der Praktik zu verdeutlichen. Betroffene können sich vom Bild der «verstümmelten Frau» jedoch zusätzlich stigmatisiert fühlen. Im Umgang mit Betroffenen sollten Sie deshalb die Begriffe «Weibliche Genitalbeschneidung» und FGM/C bevorzugen. Auch abgesehen vom Begriff ist es sehr wichtig, sich dem Thema im Gespräch mit grosser Vorsicht zu nähern. Ziehen Sie wenn möglich eine Multiplikatorin, einen Multiplikator oder eine interkulturelle Vermittlungsperson hinzu. Bei Bedarf kann auch eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher mit entsprechender Erfahrung das Gespräch begleiten.

Den passenden Moment finden

Betroffene Frauen sprechen FGM/C in der Regel nicht von selbst an. Manche empfinden Scham, andere stellen die Praktik und die Tradition dahinter nicht in Frage, wieder andere befürchten verletzende Reaktionen. Häufig sorgen erst gesundheitliche Probleme und ein hoher Leidensdruck dafür, dass die Frauen Hilfe suchen. Dabei werden die Probleme oft nicht mit der Beschneidung in Verbindung gebracht. Entsprechend wichtig ist es, eine Vertrauensbasis zu schaffen und im richtigen Moment das Gespräch zu suchen. Sprechen Sie das Thema an, wenn Sie glauben, dass Ihr Gegenüber von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen ist. Viele Frauen reagieren positiv auf das Gesprächsangebot und können sich in einer vertrauensvollen Atmosphäre öffnen.

FGM/C und Gesundheit

Therapeutische Hilfe

Um die psychischen Folgen einer Genitalbeschneidung zu behandeln, kann eine psychotherapeutische Begleitung hilfreich sein. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Begriff Therapie in manchen Ländern, in denen FGM/C verbreitet ist, negativ geprägt und mit Ängsten und Vorurteilen behaftet ist. Entsprechend wichtig ist die Aufklärungsarbeit, um den Betroffenen zu vermitteln, was eine Psychotherapie bedeutet und inwiefern eine Sexualtherapie helfen kann.

Medizinische Hilfe

Körperliche Beschwerden nach einer Genitalbeschneidung lassen sich grundsätzlich gut behandeln. Voraussetzung ist jedoch, dass die Gynäkologin oder der Gynäkologe gut über die Diagnose und Behandlung Bescheid weiss und die betroffenen Frauen und Mädchen respektvoll begleitet.

Eine Genitalbeschneidung lässt sich nicht vollkommen rückgängig machen. Allerdings ist es in gewissen Fällen möglich, die verletzten oder entfernten Genitalien zumindest teilweise zu rekonstruieren und so das Wohlbefinden zu verbessern. Dies muss aber im Rahmen einer qualifizierten medizinischen Beratung im Detail geklärt werden. Die Entscheidung, ob eine Rekonstruktion stattfinden soll, liegt letztendlich allein bei der betroffenen Frau.

Gesundheitliche Folgen

Weibliche Genitalbeschneidung kann bei betroffenen Frauen und Mädchen zu schweren und langwierigen Folgen führen. Dazu zählen unter anderem Schmerzen beim Wasserlassen, beim Geschlechtsverkehr, während der Menstruation oder beim Sitzen, chronische oder wiederkehrende Entzündungen, Infektionen oder Fistelbildungen. Auch leiden Betroffene häufig an psychischen Problemen wie posttraumatischen Belastungsreaktionen oder Depressionen. Eine Übersicht der möglichen Folgen von FGM/C finden Sie hier.

Oft werden die Beschwerden nicht mit einer Genitalbeschneidung in Verbindung gebracht. Auch sind Art und Ausmass der Beschwerden bei jeder Frau anders. In jedem Fall sollten Ursachen und Behandlungsoptionen von einer ärztlichen Fachperson medizinisch abgeklärt werden.

FGM/C und Schwangerschaft

Jede Form von FGM/C kann während der Schwangerschaft und bei der Geburt zu erheblichen Komplikationen führen – von starken Blutungen über Geweberisse bis zu Panikattacken. Für eine optimale Versorgung ist es entscheidend, dass eine Genitalbeschneidung korrekt diagnostiziert und festgehalten ist. Falls eine Beschneidung des Typ III (Infibulation) vorliegt, sollten betroffene Frauen von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über die Möglichkeit einer Defibulation informiert werden.

Bei Beratungsangeboten zum Thema Schwangerschaft und Geburt können Fachpersonen wertvolle Unterstützung leisten, damit frühzeitig die richtigen Vorkehrungen getroffen werden. Fragen Sie nach, ob die Frau schon Kinder hat und ob es bei bisherigen Geburten zu Komplikationen gekommen ist. Falls die Frau aus einem Land stammt, in welchem die weibliche Genitalbeschneidung verbreitet ist, sollte FGM/C thematisiert werden. Einen besonderen Stellenwert haben auch die üblichen Unterstützungsangebote während der Schwangerschaft. Die Vorsorgeuntersuchung, der Beizug einer Hebamme, aber auch die Unterstützung beim Arztbesuch und bei der Klinikanmeldung tragen dazu bei, dass betroffene Frauen optimal betreut und begleitet werden

FGM/C und Asylrecht

Mögliche Strafen und Landesverweisung für Täterinnen und Täter

FGM/C ist in der Schweiz strafbar und wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Unabhängig von der Höhe der Strafe droht der Täterschaft bei einer Verurteilung die Ausweisung aus der Schweiz. Da die Beschneidung eines Mädchens in der Regel von den Eltern initiiert wird, sind betroffene Mädchen im Extremfall doppelt bestraft. Sie würden mit ihren Eltern und allfällig noch nicht beschnittenen Geschwistern ausgewiesen und könnten nicht mehr geschützt werden. Wie dies in der Praxis gehandhabt wird, lässt sich aufgrund fehlender Erfahrungswerte nicht abschliessend sagen.

Mehr zur rechtlichen Situation bezüglich FGM/C erfahren Sie hier.

Asyl für Betroffene und Gefährdete

Eine drohende Genitalbeschneidung kann als Asylgrund anerkannt werden, sofern sie glaubhaft ist und im Herkunftsstaat kein wirksamer Schutz gegen FGM/C vorhanden wird. Kann im Herkunftsland aber ein effektiver Schutz vor Genitalbeschneidung in Anspruch genommen werden oder bietet sich eine valable innerstaatliche Fluchtalternative, wird das Asylgrund in der Regel abgelehnt.

Im Gegensatz zu den Empfehlungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sieht die Praxis des Staatssekretariats für Migration (SEM) vor, dass Mädchen und ihren Familien nur Schutz gewährt wird, um einer drohenden Beschneidung zu entgehen, nicht aber, wenn diese schon vorgenommen wurde.

Mehr zur rechtlichen Situation bezüglich FGM/C erfahren Sie hier.

Notfallsituationen, Meldepflicht und Melderecht

In Bezug auf FGM/C sind Situationen, die ein dringendes Eingreifen erfordern, relativ selten. Dennoch ist es möglich, dass beispielsweise Mädchen gefährdet sind, bald beschnitten zu werden, zum Beispiel bei einer bevorstehenden Reise in das Heimatland. Besteht eine unmittelbare Gefahr, sollte die kantonale Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder die Polizei benachrichtigt werden. Wenn es um Meldungen betreffend hilfsbedürftige Kinder geht, unterscheidet das Schweizerische Zivilgesetzbuch zwischen Melderechten und Meldepflichten.
Meldeberechtigt sind grundsätzlich alle Personen. Das Melderecht gilt auch für Personen, die einem Berufsgeheimnis unterstehen, zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen oder Hebammen. Eine Entbindung vom Berufsgeheimnis ist in diesen Fällen nicht nötig.
Meldepflichtig sind insbesondere Personen in amtlicher Tätigkeit sowie Fachpersonen, die beruflich regelmässig mit Kindern in Kontakt sind. Konkret handelt es sich dabei unter anderem um Lehrpersonen, Schulsozialarbeitende, Sozialarbeitende, Beistandschaften oder Mitarbeitende von Polizei und Migrationsbehörden sowie Fachpersonen aus den Bereichen Gesundheit, Betreuung, Bildung, Beratung und Sport.
Mehr zur rechtlichen Situation bezüglich FGM/C erfahren Sie hier.

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Anlaufstelle weibliche
Genitalbeschneidung
Kanton Zürich

Ambulatorium Kanonengasse
Kanonengasse 18
8004 Zürich

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